Kentern, breite Boote & Seemannschaft

Boote in unserer Größe sind sicherer, wenn sie breiter sind

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Zuerst veröffentlicht in Small Craft Advisor, Nov/Dez 2001 Ausgabe Nr. 12

Hoch über dem nördlichen Ende des Michigansees scheint ein großer Augustmond auf den breiten Strand. Tiefer Wald im Schattenriß. Leise Gespräche über Sicherheit und Marketing. Don Collister, sein ganzes Leben lang Solokanu-Paddler, murmelt: "Meine 40-jährige Schwiegertochter will ein ziemlich schmales Kajak, aber sie mag das Wasser nicht."

"Aber... warum?"

"Weil das jetzt in ist."

Konsumverhalten mag in einigen Fällen funktionieren, aber dies könnte sie ertrinken lassen.

* * *

Wide and narrow boat Eine Wochen vorher saßen Howard Rice und ich zur Frühstückspause in Jan und Meade Gougeons Bootsschuppen. Sie sind die Brüder von WEST System Epoxy.

In dieser Ecke des Schuppens schmücken Bilder aus 30 Jahren Bootsbaugeschichte die Wände: Golden Daisy, Slingshot, Rogue Wave, Russell Borns Proa, Jzerro, Sabre, Sieger der Whitbreadklasse, ein kleiner Champion des America's Cups, Jan und Meades Mac-Regatten beherrschende Trimarans, Adagio und Ollie, ihre Welt und die nordamerikanischen DN Wettkampf-Eissegler, Meades Segelkanu Serendipity, und viele andere.

Howard Rice las Robert Manrys Tinkerbelle im Alter von elf. Die dreizehneinhalb Fuß Old Town Jolle mit Deck und Kajüte von Manry kreuzte in 78 Tagen von Falmouth, Massachusetts nach Falmouth, Cornwall. Howard war schon vor Manry fasziniert von kleinen Booten, und es hat ihn seitdem nicht losgelassen. Mit achtzehn segelte er sein Cape Dory Typhoon von Newport, Rhode Islands, auf die Bahamas. Mit einem Klepper Aerius I mit Segeln war er der erste im Solokajak rund Kap Hoorn. Er ist Einheitsdesign-Fan, lehrt auf der Universität der Vereinigten Staaten Mikronesions und hat in den letzten drei Jahren in Pohnpei hauptsächlich schmale Boote gepaddelt.

"Meine Strandnachbarn," sagte Meade und stellte seinen Kaffee ab, "haben zwei schlanke Seekajaks gekauft. Sie haben die Ausrüstung, sehen wie die Typen in den Magazinen aus und denken, daß sie damit auf der sicheren Seite sind." Er hob die Hände, "Aber sie sind keine Paddler... und scheinen keine Erfahrung mit Booten zu haben! Als ich mit Serendipity im Golf kenterte, hatte ich Glück..."

"Das Wasser war warm," nickte Jan. "Du hast 50-55 Jahre Erfahrung, seemännischen Hintergrund."

"Und Auftriebskörper," sagte Howard.

"Jede Menge," Meades Augenbrauen hoben sich, "und ein breites Boot. Aber welche Chance haben meine Nachbarn wenn sie in 60 Grad (ca. 15°C, d. Ü.) kaltem Wasser umfallen, mit oder ohne Auftriebskörpern?"

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Kunst des Verkaufens über Seemannschaft? Ich schaute zwei Ausgaben des Paddler Magazins und ein Sea Kayaker Magazin durch.

Das 2001 Mai/Juni Paddler ist Blend- und Bluff-Marketing. Über 100 Fotos von Wildwasser und Blauwasser, geeignet für geübte Athlethen. Ein Beispiel für einen eher typischen Nutzer ist ein ganzseitiges Foto hinter dem Leitartikel mit zwei Kindern in Schwimmwesten, die aus einem offenen Kanu heraus angeln. Old Town hat eine ähnliche ganze Seite. Pygmy, Seda und andere zeigen kleinere Fotos mit Booten in ruhigem Wasser. Eine schöne Aufnahme von Pierre Trudeau, ohne Schwimmweste.

Keines der Themen im Inhaltsverzeichnis oder in der Einführung des Paddlers vom Mai/Juni behandelt Sicherheit, Seemannschaft, Wiedereinsteigen oder etwa sowas wie Kenterungen vorbeugen, brechende Wellen vermeiden, Unterkühlung oder Erste Hilfe. In der Canoeport-Kolumne berichten die Praxis-Seiten über "Bojenpraxis, der Kunst des Wriggens, Kanuspiele im Wasser, und der Powerschlag mit dem Solopaddel."

Können, Training und sportliche Anforderungen für das Wildwasser werden nirgends betont. Auch nicht, daß Seekajaker und Seekajakerinnen, die besonnen in See stechen, Seemanschaft in ihren Knochen haben müssen.

John Dowds eloquenter Artikel, Urteilsvermögen schulen, im July/August Paddler ist eine Ausnahme vom verkaufsorientierten Stil.

Sea Kayaker wurde in 1985 durch Dowd gegründet. Sicherheit hat Vorrang und Gefahren werden nicht verschleiert. Jede Ausgabe enthält einiges über Sicherheit, aber nun sorgen sie sich am meisten über schmale Boote. Um sie sicher zu benutzen, so scheint es impliziert, muß ein Paddler sicher "rollen" können.

Chris Cunninghams hilfreicher Leitartikel im August 2001 Sea Kayaker handelt von der Kajakrolle und vom Vorbereitetsein--Seemannschaft. Der Leitartikel von Chris zeigt auch, warum viele ein breiteres Boot bevorzugen; warum wir denken daß ein breiteres Boot oft seemännischer ist.

Chris schreibt über einen Nachmittag im Mai auf einem See, der "außerordentlich warm für diese Jahreszeit" war. Er war in seinem "niedrigen Grönlandkajak, das speziell für das Rollen gemacht war." Aber er war unzufrieden. Er sagte, mehr Training, Dehnübungen, Yoga und eine "Feinabstimmung" beim Chiropraktor hätten sicher geholfen. Radfahren und ein Ellipsentrainer hatten ihn in Form gehalten, aber durch verkürzte Oberschenkelmuskeln war sein Rücken steif geworden. "Im letzten Herbst," schreibt er, "war ich gut im Rollen, aber über den Winter habe ich definitiv an Boden verloren."

Hugh Horton and Meade Gougeon Denke in Booten mit weniger als zwei Fuß (ca. 61 cm; d. Ü.) Breite immer an die Möglichkeit, zu kentern. Wie man bei den einfachsten Dinge wie Essen, Vögel beobachten oder Kartenlesen angst und bange wird. Unterwegs Gepäck umstauen ist ebenfalls schwierig. Und keine plötzlichen Schlingerbewegung in Dwarsrichtung, wie etwa ein hastiger Griff nach einem nassen Hut, oder ein zu kräftiges Reißen an Zeug unter Deck.

Die meisten von uns sind selten in Bestform, und nicht vorbereitet auf Arbeit an der Leistungsgrenze. Kleinigkeiten können immer passieren. Wir können müde werden. Für uns ist ein breiteres Boot sinnvoller. Aber bitte, denk nicht daß ein breiteres Boot alles ist, was man braucht.

Denke an das "was-wäre-wenn" von Wetter, Strömungen, Havarien, Kenterung. Kenne die Eigenschaften deines Boots und seine Seetüchtigkeit. Reagiere auf die tatsächliche Lage, nicht auf die erwartete oder erhoffte. Sicherheit ist mehr als Kleidung und Ausrüstung aus den Farbanzeigen. Es ist das "Sei bereit" der Pfadfinder. Es ist die uralte Schule der Seemannschaft.

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Howard und ich kreuzten auf dem Fluss Mystic in Conneticut. Ein kühler Juni-Nieselregen war über uns hinweggezogen. Wir segelten die gedeckten Kanus Serendipity & Puffin (34 Inches breit), zogen auf dem Kleinboot-Wochenende von Seaport zwischen faszinierenden Booten hindurch. Er und seinen Verlobte Keiko waren am vorigen Nachmittag aus Tokyo eingeflogen.

Das Wasser, schätze ich, war in den tiefen bis mittleren Sechzigern (ca. 15 - 19°C, d. Ü.). Ich hatte über das Kentern nachgedacht, als Katzenpfoten sich zu ein paar schwachen Windstößen verdichteten.

"Können diese Kajaker rollen?" fragte ich, halb rhetorisch.

"Nicht viele". Wir betrachteten hauptsächlich professionelle Leute und ihre Kinder, eine kleiner Querschnitt der Kajakwelt. "Zumindest sind ihre Boote leicht. Die meisten Leute können ein beladenes Kajak nicht mehr als ein paar mal unter den Bedingungen rollen, die sie zuerst haben kentern lassen---sogar in warmem Wasser."

"Ich bin sicher, du hast recht."

"Denk an die Leute, denen ich in den letzten 20 Jahren das Paddeln beibrachte, in Kursen und Lehrgängen, mit Kunden, bei Zusammenkünften. Die meisten Leute sollten in breiteren Booten unterwegs sein, besonders in kälterem Wasser."

Puffin krängte in einer leichten Brise. Ich starrte durch den Dunst auf die Toppmasten eines Vollschiffs, Joseph Conrad, dachte an Lingards Brigg und indonesische Wärme.

"Kentern bedeutet meistens ins Nasse aussteigen", fuhr er fort. "Man muss den Leuten sagen, nach dem Aussteigen braucht es mehr als einfach wieder einzusteigen."

Howard meinte "Selbstrettung." Auf eine Kenterung vorbereitet sein und sie erwarten.

"Man muß es üben," sagte er. "Willst du dich auf einen rotierenden Baumstamm kämpfen oder auf eine vorbereitete Plattform krabbeln?"

Und, könnte man fragen, wäre ich auf das Kentern vorbereitet gewesen? Nein, weil ich eine Kamera riskiert hätte. Aber ja doch, obwohl ich keinen Trocken- oder Naßanzug trug. Puffin ist ein vertrautes, breites Boot, obwohl ich es mit diesem Rigg noch nicht umgekippt habe. Sie hatte genug Ausrüstung zum Lenzen, und den ganzen Auftrieb ihrer sechs Luftkammern. Ich trug eine Schwimmweste mit Trillerpfeife, und viele Leute waren nahe, die mir beistehen könnten.

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Später im August erzählte mir ein Studienkollege von einer Paddeltour mit seinem Cousin über einen zwei Meilen breiten See in Minnesota. Mein Kollege fuhr das Kajak seines Cousins, 12'4" lang, 27 1/2" breit (ca. 3,75 m x 70 cm; d. Ü.); kein Ruder. Der Cousin saß in seinem neuen 13'9" mal 20 1/2" (4,20 m x 52 cm; d. Ü.) Kajak mit Ruder. Beide trugen Schwimmwesten.

Auf halber Strecke blies es stark von hinten. Noch eine Viertelmeile zu paddeln--und der Cousin kenterte. Das Boot wurde weggeblasen. Er schwamm und watete mit seinem Paddel an Land. Mein Studienfreund war vorneweg, obwohl er weniger als ein halbes Dutzend mal gepaddelt war. Er hatte sich auf das Steuern des ruderlosen Boots konzentriert und nicht bemerkt, dass sein Cousin aus dem Boot gefallen war.

* * *

Don hatte seiner 40 Jahre alten Schwiegertochter vorsichtig beigebracht, dass sie mit einem breiteren Boot möglicherweise besser bedient wäre. Meade hat gegenüber seinen Nachbarn erwähnt, dass sie nicht weiter als bis zur zweiten Sandbank rausfahren sollten, bis sie das Wiedereinsteigen geübt hätten. Der Kumpel meines Cousins erzählte mir, "keine Frage, wenn es Wind und Wellen hat, dann nehme ich das breitere Boot."

Howard ist wieder in Mikroniesien - und mit Keiko verheiratet. Sie und wir alle hoffen, daß man Anfängern auf dem Wasser einen realistischeren Blick vermitteln möge als es manche Verkäufer und Werber von schmalen Kajaks tun.

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